Eine der bevorzugten Kennzahlen von Investorenlegende Warren Buffett, die er zur Beurteilung von Unternehmen heranzieht, sind die sogenannten „Owner Earnings“. Aber was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff, und warum legt Buffett so viel Wert darauf?
In diesem Artikel tauchen wir tief in das Konzept ein, um zu verstehen, wie sie berechnet werden, warum sie für Buffett so wichtig sind und wie sie in der Praxis angewendet werden können.
Einleitung
Warren Buffett – sein Name ist nahezu synonym mit Erfolg in der Investmentwelt.
Das Orakel von Omaha hat im Laufe seiner beeindruckenden Karriere eine Reihe von Methoden und Grundsätzen entwickelt, die seine Investmentstrategie leiten.
Eine dieser Methoden sind die sogenannten Owner Earnings.
Aber was genau verbirgt sich hinter diesem Begriff und warum ist es eine der bevorzugten Kennzahlen Buffetts zur Bewertung von Unternehmen?
Dieser vollständige Guide soll Licht ins Dunkel bringen und dir dabei helfen, das Konzept der Owner Earnings vollständig zu verstehen.
Wer ist Warren Buffett?
Warren Buffett, geboren 1930, ist einer der erfolgreichsten Investoren aller Zeiten.
Der CEO von Berkshire Hathaway ist bekannt für sein unglaubliches Gespür für lukrative Investitionen und sein Vermögen, das sich auf mehrere Milliarden Dollar beläuft.
Sein Weg zur Spitze begann in Omaha, Nebraska, wo er im Alter von nur 11 Jahren seine ersten Aktien kaufte.
Seitdem hat er unzählige Unternehmen gekauft und verkauft und dabei stets den Grundsätzen des Value Investings treu geblieben – der Idee, unterbewertete Unternehmen zu finden, in sie zu investieren und geduldig auf eine Wertsteigerung zu warten.
Was sind Owner Earnings?
„Owner Earnings“, oder auf Deutsch die „Erträge des Eigentümers“ (bzw. „Eigentümergewinne“), ist eine finanzielle Kennzahl, die Warren Buffett zur Bewertung von Unternehmen heranzieht.
Hierauf ging Buffett in seinem Aktionärsbrief aus dem Jahr 1986 genauer ein und lieferte alles, was man zur erfolgreichen Verwendung dieser Kennzahl benötigt.
Im Wesentlichen repräsentieren die Owner Earnings den Cashflow, der tatsächlich zur Verfügung steht, um an die Aktionäre des Unternehmens, die Eigentümer, ausgezahlt zu werden.
Diese Kennzahl berücksichtigt nicht nur den ausgewiesenen Nettoertrag des Unternehmens, sondern auch Abschreibungen, Amortisationen, außerordentliche Posten und Änderungen des Betriebskapitals.
Sie bietet somit einen umfassenderen Blick auf die finanzielle Leistungsfähigkeit eines Unternehmens als traditionelle Finanzkennzahlen.
Die Bedeutung von Owner Earnings
Als Investor ist es entscheidend, die tatsächlich verfügbaren Mittel eines Unternehmens zu verstehen, um fundierte Investmententscheidungen zu treffen.
Warum bevorzug Buffett diese Kennzahl?
Warren Buffett sieht die Owner Earnings als realistischere Darstellung der finanziellen Gesundheit eines Unternehmens im Vergleich zu traditionellen Kennzahlen wie dem Nettoertrag.
Buffett bevorzugt diese Kennzahl, da sie die tatsächlich zur Verfügung stehenden Mittel für die Aktionäre widerspiegelt. Zudem berücksichtigen die Owner Earnings nicht nur den ausgewiesenen Nettoertrag des Unternehmens, sondern auch Faktoren wie Abschreibungen und Änderungen im Betriebskapital.
Sie erlauben daher einen tieferen Einblick in die tatsächliche finanzielle Performance und Stabilität eines Unternehmens.
Unterschied zu traditionellen Kennzahlen
Im Gegensatz zu traditionellen Kennzahlen wie dem Nettoertrag, berücksichtigen die Owner Earnings auch nicht-zahlungswirksame Aufwendungen wie Abschreibungen und Amortisationen.
Diese Kennzahlen werden oft in der Gewinn- und Verlustrechnung eines Unternehmens ausgewiesen und können das Bild von dessen Profitabilität verzerren.
Berechnung der Owner Earnings
Nachdem wir nun verstanden haben, warum Warren Buffett die Owner Earnings als aussagekräftige Kennzahl zur Bewertung von Unternehmen heranzieht, stellt sich die Frage, wie wir diese eigentlich berechnen.
Der Prozess mag auf den ersten Blick kompliziert wirken, aber mit ein bisschen Übung wirst du schnell feststellen, dass er gut zu handhaben ist.
In diesem Abschnitt werden wir uns genau ansehen, wie die Owner Earnings berechnet werden und welche Elemente in diese Berechnung einfließen.
Die Formel und ihre Bestandteile
Um die Owner Earnings zu berechnen, verwenden wir folgende Formel:
Owner Earnings = Betriebsergebnis nach Steuern + Abschreibungen und Amortisationen – notwendige Kapitalausgaben
Schauen wir uns die einzelnen Bestandteile der Formel genauer an:
- Betriebsergebnis nach Steuern: Das ist der Nettogewinn des Unternehmens, der aus dem normalen Betrieb resultiert, nachdem alle Betriebskosten, Zinsen und Steuern abgezogen wurden. Dieser Wert zeigt, wie profitabel das Kerngeschäft eines Unternehmens ist.
- Abschreibungen und Amortisationen: Das sind nicht-zahlungswirksame Aufwendungen, die den Gewinn eines Unternehmens reduzieren, aber keinen direkten Einfluss auf den Cashflow haben. Durch die Hinzufügung dieser Posten zur Berechnung der Owner Earnings können wir den Cashflow besser einschätzen.
- Notwendige Kapitalausgaben: Dieser Wert beinhaltet die Investitionen, die ein Unternehmen tätigen muss, um seine aktuellen Geschäftsaktivitäten aufrechtzuerhalten und seinen zukünftigen Betrieb zu sichern. Diese Ausgaben werden vom Betriebsergebnis nach Steuern und den Abschreibungen und Amortisationen abgezogen, um die Owner Earnings zu ermitteln.
Diese Formel ermöglicht es uns, die echte Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens zu bewerten. Sie gibt uns ein klareres Bild davon, wie viel Geld tatsächlich zur Ausschüttung an die Aktionäre zur Verfügung steht.
Beispielrechnung
Angenommen, wir haben ein Unternehmen namens „Muster AG“ und wir haben folgende Informationen aus ihrem jährlichen Geschäftsbericht:
- Betriebsergebnis nach Steuern: 10 Millionen Euro
- Abschreibungen und Amortisationen: 2 Millionen Euro
- Notwendige Kapitalausgaben: 3 Millionen Euro
Mit diesen Informationen können wir die Owner Earnings berechnen:
Owner Earnings = Betriebsergebnis nach Steuern + Abschreibungen und Amortisationen – notwendige Kapitalausgaben
Setzen wir die gegebenen Werte in die Formel ein:
Owner Earnings = 10 Millionen Euro + 2 Millionen Euro – 3 Millionen Euro
Daraus ergibt sich, dass die Owner Earnings der Muster AG 9 Millionen Euro betragen.
Diese 9 Millionen Euro stellen den Betrag dar, der tatsächlich zur Verfügung steht, um an die Eigentümer der Muster AG ausgeschüttet zu werden.
Anwendung in der Praxis
Nachdem wir die Formel der Owner Earnings und ihre Bestandteile kennen und verstanden haben, wie man sie berechnet, sollten wir uns anschauen, wie man diese Kennzahl in der Praxis anwendet. Sie ist nämlich ein wichtiges Werkzeug in der Toolbox jedes Investors.
Wie verwende ich diese Kennzahl bei der Unternehmensbewertung?
Die Owner Earnings bieten ein tieferes Verständnis für die wahre Profitabilität eines Unternehmens, als es traditionelle Kennzahlen wie das Kurs-Gewinn-Verhältnis tun.
Denn sie zeigen, welcher Betrag tatsächlich zur Verfügung steht, um an die Aktionäre ausgeschüttet zu werden. Daher sind sie ein wichtiger Faktor bei der Bewertung eines Unternehmens.
Wenn diese Kennzahl eines Unternehmens über einen längeren Zeitraum stetig steigen, kann das ein gutes Zeichen dafür sein, dass das Unternehmen wirtschaftlich gesund ist und über nachhaltige Wettbewerbsvorteile verfügt.
Ein Unternehmen mit hohen Owner Earnings und einem niedrigen Aktienkurs könnte eine gute Investitionsmöglichkeit sein.
Umgekehrt könnten stagnierende oder sinkende Owner Earnings ein Warnsignal sein, dass das Unternehmen Schwierigkeiten hat.
In diesem Fall solltest du weitere Untersuchungen anstellen, bevor du in das Unternehmen investierst.
Verwendung der Owner Earnings in der Discounted Cash Flow-Methode
Die Owner Earnings können auch für eine weitere, sehr wichtige Methode der Unternehmensbewertung verwendet werden – die Discounted Cash Flow (DCF) Methode.
Diese Methode ist eine der am häufigsten verwendeten Methoden zur Unternehmensbewertung und basiert auf der Idee, dass der Wert eines Unternehmens gleich der Summe seiner zukünftigen Cashflows ist, abgezinst auf den heutigen Wert.
Die Owner Earnings bieten in diesem Kontext eine präzisere und realistischere Schätzung dieser zukünftigen Cashflows.
Denn im Gegensatz zu anderen Kennzahlen wie dem Betriebsergebnis oder dem Nettogewinn, geben sie einen umfassenderen Einblick in die tatsächlich verfügbaren Mittel des Unternehmens.
Um diese in der DCF-Methode zu verwenden, musst du eine Prognose der zukünftigen Owner Earnings des Unternehmens erstellen. Diese prognostizierten Earnings werden dann auf den heutigen Wert abgezinst.
Die Summe dieser abgezinsten Cashflows gibt den geschätzten Wert des Unternehmens.
Es ist jedoch wichtig zu beachten, dass diese Methode nicht ohne Herausforderungen ist.
Die Erstellung einer Prognose der zukünftigen Owner Earnings erfordert fundierte Kenntnisse über das Unternehmen und seine Branche.
Darüber hinaus sind die Ergebnisse der DCF-Methode empfindlich gegenüber den Annahmen, die du triffst, insbesondere hinsichtlich des verwendeten Abzinsungssatzes. Es ist daher entscheidend, vorsichtig und konservativ mit den Annahmen umzugehen, die du für deine Bewertung triffst.
Fallstudien aus Warren Buffett’s Karriere
Ein gutes Beispiel für die Anwendung der Owner Earnings finden wir in Buffetts Investition in The Coca-Cola Company in den 1980er Jahren.
Buffett sah, dass Coca-Cola hohe Owner Earnings hatte und dass das Unternehmen in der Lage war, diese Gewinne zu reinvestieren und so weiteres Wachstum zu generieren.
Er sah auch, dass Coca-Cola über starke Marken und eine leistungsfähige globale Vertriebsstruktur verfügte – beides nachhaltige Wettbewerbsvorteile.
Diese Faktoren trugen dazu bei, dass Buffett eine große Investition in Coca-Cola tätigte, die sich im Laufe der Jahre mehrfach auszahlte.
Ein weiteres Beispiel ist Buffetts Investition in See’s Candies in den 1970er Jahren. See’s Candies war ein profitables Unternehmen mit hohen Eigentümergewinnen und starken Marken, die eine loyale Kundenbasis anzogen.
Buffett kaufte das Unternehmen für 25 Millionen Dollar und es hat seitdem mehr als 2 Milliarden Dollar an Gewinnen für Berkshire Hathaway generiert. (Stand September 2021)
Diese Beispiele zeigen, dass die Owner Earnings ein wirksames Werkzeug zur Unternehmensbewertung sein können. Sie erlauben es uns, die Unternehmen zu identifizieren, die nicht nur profitabel sind, sondern auch über die Mittel verfügen, um dieses Geld an die Eigentümer zurückzugeben oder für weiteres Wachstum zu reinvestieren.
Kritik an der Owner Earnings-Methode
Trotz der Einfachheit und der umfassenden Perspektive, gibt es auch Kritikpunkte an dieser Methode.
Welche Kritikpunkte gibt es?
Erstens erfordert die Berechnung der Owner Earnings eine gewisse subjektive Beurteilung.
Zum Beispiel müssen Schätzungen für notwendige Kapitalausgaben getroffen werden, was oft keine einfache Aufgabe ist und zu Unschärfen in der Berechnung führen kann.
Zweitens ist die Berechnung nicht standardisiert, was bedeutet, dass verschiedene Anleger die Kennzahl auf unterschiedliche Weise berechnen können.
Dies kann zu Inkonsistenzen führen und es schwieriger machen, verschiedene Unternehmen miteinander zu vergleichen.
Schließlich basieren die Eigentümergewinne auf historischen Daten, die möglicherweise nicht die zukünftige finanzielle Leistung eines Unternehmens widerspiegeln. Dies ist ein allgemeines Problem bei der Verwendung von Finanzkennzahlen, ist aber auch hier relevant.
Buffetts Antworten auf die Kritik
Trotz dieser Kritikpunkte hat Warren Buffett die Anwendung der Owner Earnings konsequent verteidigt.
In Bezug auf die subjektiven Elemente der Berechnung argumentiert Buffett, dass jede Art von Finanzanalyse immer einen gewissen Grad an Urteilsvermögen erfordert. Er betont, dass das Ziel nicht darin besteht, eine exakte Zahl zu erreichen, sondern vielmehr ein realistisches Bild von der finanziellen Leistungsfähigkeit eines Unternehmens zu gewinnen.
In Bezug auf die Kritik an der Vergleichbarkeit betont Buffett, dass der Vergleich zwischen Unternehmen nur sinnvoll ist, wenn die Unternehmen in ähnlichen Branchen tätig sind und ähnliche Geschäftsmodelle haben.
Ansonsten empfiehlt er, sich auf die interne Konsistenz der Owner Earnings eines einzelnen Unternehmens im Zeitverlauf zu konzentrieren.
Und schließlich, in Bezug auf die Kritik, dass die Owner Earnings auf historischen Daten basieren, betont Buffett, dass die Vergangenheit oft ein guter Indikator für die Zukunft ist, besonders bei Unternehmen, die stabile Geschäftsmodelle und bewährte Erfolgsbilanzen haben.
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
Die Owner Earnings sind eine bedeutende Kennzahl, die Warren Buffett und andere Value-Investoren seit langem erfolgreich nutzen.
Sie bieten einen tiefen Einblick in die tatsächlich verfügbaren Mittel eines Unternehmens und helfen, die wahre Profitabilität und finanzielle Gesundheit zu verstehen.
Die Rolle der Owner Earnings im Value Investing
Im Rahmen des Value Investings spielt diese Kennzahl eine entscheidende Rolle.
Diese Investitionsstrategie konzentriert sich darauf, unterbewertete Unternehmen zu identifizieren und in diese zu investieren, in der Erwartung, dass sich der wahre Wert des Unternehmens langfristig offenbart und der Aktienkurs steigt.
Da die Owner Earnings eine realistischere Darstellung der tatsächlich verfügbaren Mittel bieten, unterstützen sie das Value Investing bei der Identifizierung von Unternehmen, die möglicherweise unterbewertet sind und ein attraktives Wachstumspotenzial haben.
Wann ist diese Methode besonders hilfreich und wann nicht?
Die Owner Earnings sind besonders hilfreich bei der Bewertung von Unternehmen, die komplexe Geschäftsmodelle haben, deren Profitabilität durch nicht-zahlungswirksame Aufwendungen beeinflusst wird oder bei denen der Ausblick für die kommenden Jahre unsicher ist.
In solchen Fällen bieten sie eine klarere und konsistentere Sicht auf die finanzielle Performance und tragen zur Minimierung von Verzerrungen bei, die bei der Verwendung traditioneller Kennzahlen auftreten könnten.
Allerdings kann die Anwendung auch Grenzen haben.
Bei Unternehmen, die stark von nicht zahlungswirksamen Aufwendungen abhängig sind oder deren Geschäftsmodelle stark vom Wandel der Branche betroffen sind, könnten die Eigentümergewinne möglicherweise nicht alle relevanten Informationen berücksichtigen.
In solchen Fällen ist es wichtig, diese mit anderen Finanzkennzahlen und umfangreichen Analysen zu kombinieren, um ein umfassendes Bild zu erhalten.
Fazit
Die Owner Earnings stellen eine mächtige Methode dar, um das wahre wirtschaftliche Potenzial eines Unternehmens zu ermitteln.
Sie bieten Value-Investoren wie Warren Buffett wertvolle Informationen, um kluge Investmententscheidungen zu treffen.
Dennoch sollten sie nicht als einzige Kennzahl betrachtet werden, sondern als Teil eines umfassenden Bewertungsansatzes, der eine gründliche Analyse und eine fundierte Einschätzung der Zukunftsaussichten des Unternehmens umfasst.
Durch die intelligente Kombination von Owner Earnings und anderen Bewertungsmethoden können Investoren bessere Entscheidungen treffen und langfristig erfolgreiche Investmentstrategien entwickeln.
Bild: Rob Crandall/Shutterstock.com
Bisher keine Kommentare